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Das individuelle Asylrecht ist die historische Konsequenz aus dem Scheitern von Kontingent-Lösungen

In einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, die Abschaffung des individuellen Asylrechts gefordert. Dieses solle durch eine Kontingent-Lösung ersetzt werden.

Der Rat für Migration, ein Zusammenschluss von 220 Migrationswissenschaftler:innen aus dem deutschsprachigen Raum, kritisiert den Vorstoß. Dieser verkennt zum einen, dass das individuelle Asylrecht historische Konsequenz aus dem Scheitern von Kontingent-Lösungen ist. Zum anderen ignoriert er die menschenrechtlichen Garantien die deutsche und europäische Gerichte in den letzten 30 Jahren entwickelt haben. Der Vorschlag ist ein Angriff auf den nationalen und internationalen Menschenrechtsschutz und widerspricht den europäischen Werten und europäischem Recht.

Während des zweiten Weltkrieges schlossen viele europäische Staaten ihre Grenzen für Flüchtlinge, darunter deutsche Jüd:innen und andere politische Verfolgte und erlaubten höchstens kleinen Kontingenten die Einreise. Als Konsequenz dieser Mitschuld europäischer Staaten enthalten die Genfer Flüchtlingskonvention, die Europäische Grundrechtecharta, die Europäische Menschenrechtskonvention und auch das deutsche Grundgesetz einen individuellen Anspruch auf ein Verfahren, um zu garantieren, dass alle Personen, die Schutz benötigen, diesen auch erhalten können.

Das individuelle Asylrecht ist das Fundament des gegenwärtigen Schutzsystems. Eine Abschaffung dieses Rechts und eine Rückkehr zu Kontigent-Lösungen, wie sie vor dem zweiten Weltkrieg existierten, ist nicht geeignet, einen wirksamen Flüchtlingsschutz im 21. Jahrhundert zu ermöglichen. Im Gegenteil würde dieser Vorschlag  das System der Flüchtlingsaufnahme mit mehr Willkür belasten und die Lösung zu einem Instrument innenpolitischer Konflikte machen.

Zeitgleich bestehen grundsätzlich Zweifel an der Umsetzbarkeit des Vorschlags. Denn er würde die Abschaffung des Art. 16a Grundgesetz, sowie den Austritt aller EU-Staaten aus der EMRK und der Genfer Flüchtlingskonvention erfordern. Gleichzeitig müsste auch die Verpflichtung zur Einhaltung der Grundrechtecharta und der EMRK, die in Art. 6 EUV verankert ist, ebenfalls abgeschafft werden. Angesichts der Tatsache, dass über 90 % der schutzberechtigten Personen ausserhalb von Industrieländern Schutz finden, wäre dies auch eine Bankrotterklärung der EU, die den Werten in Art. 2 des EUV (Vertrag über die Europäische Union) widersprechen würde.

Zudem würde die Verweigerung des Zugangs zu Sozialleistungen der durch Art. 1 Grundgesetz garantierten Menschenwürde widersprechen. Diese müsste ebenfalls geändert werden, was wegen der Ewigkeitsgarantie des Grundgesetzes unmöglich erscheint.

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Kontakte für Presseanfragen

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Fachhochschule Kiel

Mail: vassilis.tsianos@fh-kiel.de

Dr. Bernd Kasparek

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Dr. Constantin Hruschka

Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik, München

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Prof. Dr. Marei Pelzer

Frankfurt University of Applied Sciences

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Dr. Dr. Maximilian Pichl

Universität Kassel

Mail: max.pichl@uni-kassel.de