Kommentar vom Kommunalen Integrationszentrum (KI) Kreis Euskirchen
– Einreichung am 30. August 2023
In der Seiteneinstiegsberatung von Familien mit zugewanderten Kindern und Jugendlichen versuchen mein Kollege und ich den Familien möglichst in ihrer Sprache zu begegnen. Entweder können wir direkt mit ihnen kommunizieren oder wir holen uns Übersetzungshelfende in den jeweiligen Familiensprachen dazu. Wir sprechen die Kinder und Jugendlichen direkt an. Einige wenige bringen Kenntnisse im Englischen aus dem Schulunterricht mit, andere haben sogar schon Deutsch-Unterricht in den Zentralen Unterbringungseinrichtungen oder im Herkunftsland erhalten.
In diesen Gesprächen kommt es häufig zu Sprachmischungen und mehreren Wechseln innerhalb mehrerer Sprachen. Dabei zeigen uns die Schüler*innen, welche Sprachkenntnisse im Mündlichen vorhanden sind. Wenn sie etwas vorlesen, können sie damit auch zeigen, welche Schriftsysteme sie beherrschen. Wir schauen im Gespräch vor allem auf die Sprachkompetenzen in ihren vorhandenen Sprachen und nicht auf die Defizite. Bei den Übersetzungen fallen einem dabei immer wieder viele Ähnlichkeiten bzw. Internationalismen auf.
Daneben erklären wir, dass in den meisten Internationalen Klassen oder Gruppen meistens Kinder und Jugendliche sitzen, die die gleiche Sprache des Schülers/ der Schülerin sprechen und sie damit nicht alleine sind.
Zudem bekommen wir von den DaZ-Lehrkräften mit, dass die Schüler*innen auch in den Regelklassen bereit sind, in den jeweiligen ihnen zur Verfügung stehenden Sprachen die neu zugewanderten Kinder zu unterstützen. Damit werden ihre Sprachkompetenzen neben Deutsch zum ersten Mal in der Schule wahrgenommen, da die meisten Sprachen der Jugendlichen nicht als Schulfach unterrichtet werden.
Schule und Mehrsprachigkeit
Trotz Fortbildung für Lehrkräfte im Bereich Mehrsprachigkeit im Unterricht, gibt es Vorfälle, die bestimmte Sprachen aus dem Schulalltag verbannen.
Projekte wie der mehrsprachige Gedichtewettbewerb sollen weiterhin für die Wichtigkeit von Mehrsprachigkeit sensibilisieren. Nach dem Schema des Generativen Schreibens haben Lehrkräfte Gedichte der Kinder in der jeweiligen Sprache des Herkunftssprachlichen Unterrichts ins Deutsche übersetzt. Bei einer Feier mit musikalischer Unterlegung wurden diese von den Schüler*innen in ihrer Sprache vorgetragen. Im Hintergrund wurde die Übersetzung eingeblendet. Damit wurden die Sprachen der Kinder zum ersten Mal in der Schule sichtbar und gleichzeitig hörbar. Der Stolz der Eltern war nicht zu übersehen!
Teilhabe und Empowerment für Frauen und Kinder – sprachübergreifend
Das Programm Rucksack Schule und Kita unterstützt die Förderung bildungssprachlicher Kompetenzen im Deutschen und den Familiensprachen und die Wertschätzung sowie aktive Unterstützung der Mehrsprachigkeit. Die Bildungseinrichtungen werden auf ihrem Weg einer diversitätsorientierten, migrationssensiblen Öffnung begleitet und die Familien mit ihren Ressourcen anerkannt.
In den Einrichtungen treffen sich regelmäßig Eltern unter Anleitung einer Gruppenleitung, die mit ähnlichen Erfahrungen der Mehrsprachigkeit, Biografie und Familiengeschichte auf Augenhöhe kommuniziert. Diese Elternbegleiterinnen werden regelmäßig für ihre Aufgabe als Gruppenleitung einer mehrsprachigen Elterngruppe qualifiziert. Die Lehrkräfte sind im stetigen Austausch sowohl mit den Koordinator*innen der Programme als auch innerhalb des Arbeitskreises.
Dennoch berichten die Elternbegleiterinnen immer wieder von Erfahrungen der Diskriminierung in den Einrichtungen aufgrund ihrer Familiensprache. Es gilt meistens immer noch das Mantra der einen Sprache, die nötig ist, um sich verständigen zu können. Kinder aber auch Eltern hören Sätze wie „Wir sprechen hier Deutsch!“ und müssen ihre Familiensprache vor der Türe lassen – nach dem Motto „Wir bleiben draußen.“
Der Impact in das System letztendlich nur sehr gering, wenn sich darauf verlassen wird, dass Einzelne als Multiplikator*innen wirken können, um ein ganzes Gefüge nachhaltig zu verändern. Vielmehr sollte bereits in der Ausbildung und im Studium pädagogischer Fachkräfte der Wert der Mehrsprachigkeit sowie eine auf Ressourcen und Stärken orientierte Erziehung und Bildung im Mittelpunkt stehen. Fachkräfte befinden sich in einem Spannungsfeld zwischen einer monolingualen Utopie und einsprachigen Vorgaben für Bildung und Erziehung und der mehrsprachigen Realität der Kinder in ihren Klassen und Gruppen. Um ihren eigenen Vorbehalten, Ängste und Fragen zu begegnen aber auch um die ihnen anvertrauten Kinder in ihren Ressourcen wahrzunehmen, zu schätzen und zu fördern, benötigen Fachkräfte mehr Wissen und Methoden. Dabei sollte die Forderung nach Deutsch als einziger Bildungssprache kritisch betrachtet werden und andere Sprachen auf dem Weg der Bildung zulässig sein. Um am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können, um einen Schulabschluss in Deutschland zu erwerben und einen Beruf in Deutschland zu erlernen ist die Beherrschung der deutschen Sprache grundlegend; der Weg dorthin sollte mehrsprachig möglich sein. Translanguaging ist für die meisten Menschen die Regeln nicht die Ausnahme. Auch in Deutschland. Einzig die Bildungspolitik hat es noch nicht verstanden.
Sprachen nach Bedarf
Das Familienbüro des Kreises Euskirchen ist eine Anlaufstelle für alle Familien im Kreis und unterstützt bei allen Fragen rund um das Thema Familie. Häufig wird im Familienbüro zum Beispiel bei der Suche nach einem Betreuungsplatz unterstützt. Es gibt eine mehrsprachige Schritt-für-Schritt-Anleitung, die eine Registrierung im Onlineportal vereinfacht. Familien können sich auch direkt in den Büros melden – per Mail, telefonisch oder persönlich. Dabei kommen teils auch Mails auf Englisch an oder wurden vor dem Verschicken mit Online-Übersetzern auf Deutsch geschrieben. Auch am Telefon kann die Beratung auf Englisch oder Französisch angeboten werden. Die Personen, die sich direkt in den Büros beraten lassen, bringen meist eine/n Übersetzer*in mit oder es wird über den Übersetzungshilfepool des Kreises angefragt. Meist reicht auch die Online-Übersetzung aus und es werden Handys mit übersetzten Anliegen hin und her gereicht.
Die Beratung funktioniert in diesem Beratungsfeld mit einem doch sehr konkreten Anliegen und einem Abfragen von Daten für die Registrierung im persönlichen Kontakt auch ohne oder mit minimalen Deutschkenntnissen sehr gut.
Am hilfreichsten ist es dabei allerdings immer, wenn Kolleg*innen vor Ort sind, die verschiedenste Sprachen sprechen. So können meist auch weitere Anliegen der Familien besprochen werden.
Schwieriger ist es, Informationen sprachensensibel an die allgemeine Öffentlichkeit herauszugeben. Wie viele und welche Sprachen sollen es sein? Oder doch lieber nur einfaches Deutsch? Müssen Printmedien in verschiedensten Sprachen vorliegen oder soll – auch um nachhaltig zu agieren – ein QR-Code zu einer mehrsprachigen Webseite verweisen? Sollen Social Media Posts in verschiedenen Sprachen angeboten werden oder können mehrsprachige Untertitel helfen? Was ist, wenn die Adressaten keine Schriftsprache zur Verfügung haben?
Diese Fragen werden meist je nach Projekt und Ziel geklärt. Auch hier ist der zuverlässigste Weg meist über den direkten, persönlichen Kontakt. Ohne ein Netzwerk von Kooperationspartner*innen, die Informationen direkt an Kind und Eltern bringen, ließen sich Projekte und Unterstützungsmöglichkeiten kaum umsetzen.
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