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Nachruf auf Prof. Dr. Hans H. Reich

Der Rat für Migration (RfM) trauert um Prof. Dr. Hans H. Reich. Der RfM verliert mit ihm einen Wissenschaftler, der in der Geschichte des Rats, auch schon vor dessen Gründung, eine wichtige Rolle gespielt hat. Hans H. Reich war maßgeblich beteiligt an zwei für die Etablierung der Migrations- und Integrationsforschung in Deutschland  wegweisenden Strukturinitiativen: an der Initiative zur Gründung eines „Bundesnetzwerks Migration – Integration – Minderheiten“ – dem direkten Vorläufer des Rat für Migration – und an der bereits Anfang der 1990er Jahre zusammen mit Klaus J. Bade und dem Osnabrücker „Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS)“ ergriffenen Initiative, in Verbindung mit der damaligen Ausländerbeauftragten der Bundesregierung, ein bundesweites „Zentrum für Migrationsfragen und Interkulturelle Entwicklung“ zu schaffen. Die Umsetzung wurde kurz vor der Gründung des Instituts politisch vereitelt. Nachdem der RfM sich offiziell konstituiert hat, hat Hans H. Reich ihn als Mitglied des ersten Vorstands tatkräftig mitgestaltet und ist ihm in der Folgezeit eng verbunden geblieben.

Professor Dr. Hans H. Reich war ein Pionier im Fachgebiet Deutsch als Zweitsprache und Didaktik der Zwei- und Mehrsprachigkeit. Er hat dieses Forschungsfeld mit begründet und aufgebaut. Auch den ersten Zusatzstudiengang für Interkulturelle Bildung hat er entwickelt, welchen er – trotz aller Widerstände – erfolgreich etablieren konnte. Vor dem Hintergrund seiner fachlichen Kenntnisse und internationalen Forschungserfahrungen hat er immer wieder betont, dass Sprache und Integration einander wechselseitig bedingen. In diesem Sinne hat er in der RfM-Publikation „Integration und Illegalität in Deutschland“ die in Politik und Wirtschaft bis heute beliebte Leitidee „Integration durch Sprache“ mit allem Nachdruck kritisiert. Einseitig sei es,

„vom Deutschen zu reden, die anderen Sprachen der Zuwanderer aber zu ignorieren oder nur als Hindernis für das Deutschlernen darzustellen; das begünstigt nationalistisches Denken über die Sprache. Einseitig ist es auch, die Abhängigkeit der Integration von den Deutschkenntnissen zu betonen, die Abhängigkeit des Deutscherwerbs von Integrationserfahrungen aber zu verschweigen; das begünstigt voluntaristisches Denken über den Spracherwerb, als ob es nur darauf ankäme, dass die Zuwanderer genug Lernwilligkeit aufbrächten, während man ihre Wohnsituation, ihre Beschäftigungssituation, ihre Bildungssituation nicht in Rechnung zu stellen bräuchte. Einseitig ist es schließlich, öffentlich Appelle zum Deutschlernen an die Zuwanderer zu richten, ohne dies mit der Frage an die Verantwortlichen nach Art und Umfang der Deutschangebote zu verbinden, die dabei helfen sollen; das begünstigt eine Denk- und Handlungsweise, wonach öffentliches Reden und institutionelles Handeln nicht miteinander übereinzustimmen brauchen.“

Was er damals in der für ihn charakteristischen Klarheit und zugleich verbalen Zurückhaltung schrieb, mit der er sich auch sonst in die oft lauten, aufgeregten politisch-wissenschaftlichen Diskussionen eingemischt hat, gilt unverändert auch heute.

Seine Stimme wird fehlen.

Der Rat für Migration schließt sich den Kolleginnen und Kollegen an, die mit ihrem Nachruf seine Persönlichkeit und seine wissenschaftlichen Verdienste würdigen.

Der Vorstand und die Mitglieder des Rats für Migration e.V.

Berlin im Februar 2019